Und es ist Krieg – alles Fürchterliche ist entfesselt
14. Nov 2014
Feldpostbriefe, Tagebucheinträge und literarische Texte aus der Zeit oder Texte, die die Zeit im literarischen Erinnern nacherlebbar machen – die Zuhörer bekamen ein Nachdenk- und Nachfühlszenario geboten, das die Realität des Krieg sehr nahe brachte. Die Betroffenheit und Ergriffenheit der Zuhörer von dem Gehörten wurden durch die musikalischen Zwischenstücke (mit Elisabeth Ringler an der Flöte) sowie durch manche Zeichnungen (Radierungen) von Käthe Kollwitz, die an die Leinwand projiziert wurden, noch gesteigert.
Die Texte waren ausgewählt worden vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Krisen und militärischen Auseinandersetzungen, die im Sommer 2014 akut wurden, als es auf einmal wieder denkbar wurde, dass auch Europa in einen Krieg verwickelt werden könnte, und als der Ruf nach militärischen Lösungen von Konflikten in der Welt auch wieder von Deutschland aus vernehmbar wurde.
Am Erleben des einzelnen Menschen, an seinem Ausgesetztsein und seinem Leiden, wird auch noch nach hundert Jahren deutlich, dass Frieden so kostbar wie gefährdet ist.
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Text aus der Lesung am 12. November 2014-11-14
Stefan Zweig Die Welt von Gestern 1942
Wenn ich versuche, für die Zeit vor dem Ersten Weltkriege, in der ich aufgewachsen bin, eine handliche Formel zu finden, so hoffe ich, am prägnantesten zu sein, wenn ich sage: es war das goldene Zeitalter der Sicherheit. Alles in unserer fast tausendjährigen österreichischen Monarchie schien auf Dauer gegründet und der Staat selbst der oberste Garant dieser Beständigkeit. (…)
Das 19. Jahrhundert war in seinem liberalistischen Idealismus ehrlich überzeugt, auf dem geraden und unfehlbaren Weg zur „besten aller Welten“ zu ein. Mit Verachtung blickte man auf die früheren Epochen mit ihren Kriegen, Hungersnöten und Revolten herab als auf eine Zeit, da die Menschen eben noch unmündig und nicht genug aufgeklärt gewesen. (…)An barbarische Rückfälle wie Kriege zwischen Völkern Europas, glaubte man so wenig wie an Hexen und Gespenster; beharrlich waren unsere Väter durchdrungen von dem Vertrauen auf die unfehlbar bindende Kraft von Toleranz und Konzilianz. Redlich meinten sie, die Grenzen von Divergenzen zwischen den Nationen und Konfessionen würden allmählich zerfließen ins gemeinsame Humane und damit Friede und Sicherheit, diese höchsten Güter, der ganzen Menschheit zugeteilt sein.